Jobportrait: Bio-Landwirtin

Jobportrait Bio Landwirtin

Weiter geht’s in der Kategorie über interessante Berufe. Lydia ist Bio-Landwirtin in zweiter Generation und führt den Hof gemeinsam mit ihrem Vater. Sie erzählt uns von den Auflagen für Biobetriebe, wie sich der Hof finanziert und ihr Alltag so aussieht.

Erzähl uns von deinem Beruf als Bio-Landwirtin

Ich habe den Betrieb in 2020 von meinem Vater übernommen, der ihn im Haupterwerb geführt hat. ich bin jetzt im Nebenerwerb Landwirtin und mache das mit meinem Vater zusammen. Wir haben auf dem Hof 18 Mutterkühe mit ihren Nachzuchten. Außerdem haben wir eine kleine Hühnerscharr, drei Pferde, einen Hund und einige Katzen.

Wie sieht dein Alltag aus?

Ich stehe um 6 Uhr auf und schaue zuerst nach den Tieren. Die Pferde kommen auch im Winter täglich auf die Weide und werden erst abends wieder reingeholt. Die Kühe werden morgens meistens von meinem Vater gefüttert, während ich schon einmal meiner anderen Tätigkeit am Landwirtschaftsamt nachgehe, wo ich anderen Landwirt*innen helfe, ihre Subventionen zu beantragen. Abends, wenn ich von der Arbeit komme, mache ich alles, was so ansteht. Im Winter werden die Kühe gefüttert. Im Sommer, wenn die Tiere auf der Wiese stehen, ist mehr Arbeit draußen auf dem Feld zu tun. Ab dem Frühjahr säen wir wieder und im Sommer steht natürlich auch die Ernte an.

Was war dein außergewöhnlichstes Erlebnis?

Das ist zwar schon ein paar Jahre her, aber wir haben mal ein Weihnachtskalb bekommen. Meine Lieblingskuh war tragend und hatte leider eine Schwergeburt. Wir haben 5 Stunden mit dem Tierarzt im Stall verbracht und um das Leben von Kuh und Kalb gebangt. Schlussendlich konnten wir mit einem Kaiserschnitt das Kalb doch noch lebend zur Welt holen. Das war unser kleines Weihnachtswunder! Das Kalb haben wir Samantha genannt und die Kuh hieß Selma. Mittlerweile sind die beiden nicht mehr bei uns auf dem Hof, aber das ist meine außergewöhnlichste Geschichte, die ich bisher erlebt habe, weil das etwas ganz besonderes war.

Was liebst du an deinem Beruf?

Natürlich der Umgang mit den Tieren und draußen in der Natur zu sein. Gerade wenn ich den ganzen Tag im Büro war und raus in die Natur komme oder zu meinen Tieren gehe, dann gibt mir das unglaublich viel. Das gibt einem ganz viel Ruhe und es ist immer sehr abwechslungsreich.

Was zeichnet einen Biobetrieb aus? Bestimmtes Futter, mehr Platz?

Ja genau! Wenn man sich dazu entscheidet, ein Biobetrieb zu werden, gibt es zunächst zwei Möglichkeiten: Entweder man verpflichtet sich, „nur“ die Auflagen der EU Öko-Verordnung einzuhalten oder aber man entscheidet sich, zusätzlich einem Öko-Anbauverband (z.B. wie wir Bioland) beizutreten.

Im Allgemeinen zeichnen sich Biobetriebe dadurch aus, dass die Tiere mehr Stallflächen zur Verfügung und einen Auslauf oder Weidegang während der Vegetationsperiode haben. Außerdem dürfen alle Futtermittel auch nur aus ökologischem Anbau stammen. Im Ackerbau darf man keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel (ugs. Spritzmittel) einsetzen und auch die Düngung ist stark reglementiert (z.B. organischer Dünger oder rein mineralische Produkte).

Bioland Zertifizierung

Strebt ihr eine Zertifizierung als Demeter Betrieb an?

Nein, das möchten wir nicht. Wir sind bereits seit letztem Jahr dem Bioland-Verband angeschlossen und fühlen uns dort sehr gut aufgehoben. Viele der umliegenden Betriebe in unserer Gegend sind ebenfalls bei Bioland, sodass es einfacher ist auch einmal untereinander Tiere/Ware zu verkaufen/kaufen. Hinzu kommt, dass ich einige anthroposophische Ansichten des Demeterverbandes nicht teile (z.B. die Verpflichtung, horntragende Kühe zu halten oder auch manche Ackerbaupraktiken).

Wie wird der Hof finanziert? Reicht das mit den wenigen Tieren aus?

Kurz gesagt: Der Hof wird mittlerweile hauptsächlich von dem Verkauf unseres Getreides finanziert. Außerdem vom Erlös der Schlachttiere aus der Mutterkuhhaltung. Und – wie alle anderen Betriebe – leben auch wir von den Agrarsubventionen durch den Staat, da leider auch bei Bioprodukten durch das kapitalistische Marktsystem nicht oft der reelle Preis für die Ware gezahlt wird. Der Betrieb kann sich durch diese Einnahmen finanzieren. Zum Glück habe ich als Nebenerwerbslandwirtin den Vorteil, nicht auf das veraltete Renten- und Sozialsicherungssystem der Landwirtschaft angewiesen zu sein. Sämtliche Sozialabgaben werden durch mein Arbeitnehmerverhältnis gedeckt. Unser Betrieb mit seinen knapp 20 Tieren und ca. 45 ha Acker- und Grünland wäre sonst nicht ausreichend für das Einkommen einer Familie samt Altenteilern.

Beruf Bio Landwirtin

Verkauft ihr die Milch der Kühe? Wieso sind Selma und Samantha nicht mehr auf dem Hof?

Bis vor einem Jahr hatten wir ca. 20 Fleckvieh-Milchkühe. Damals haben wir die Milch verkauft, die Kälber der Milchkühe an unserem Hof großgezogen und dann als Masttiere an den Schlachthof verkauft. Darüber war und bin ich sehr froh, denn in vielen Betrieben müssen bereits die Kälber verkauft oder geschlachtet werden. Selma war also damals eine unserer Milchkühe und Samantha, ihr Kalb, haben wir nach circa 2 Jahren verkauft. Und auch Selma wurde als alte Milchkuh (sie war mit 10 Jahren eine der Ältesten) dann an den Schlachthof verkauft. Wir lieben unsere Tiere und es ist jedes Mal ein trauriger Moment, wenn die Tiere auf den Schlachthof gehen. Aber gerade im Biolandbau leben wir von der Kreislaufwirtschaft. Zum Erhalt der wichtigen Dauergrünlandflächen benötigen wir Tiere, die das Gras verwerten und uns wiederum wichtigen organischen Dünger für unser Ackerland liefern. Wie angesprochen dürfen und wollen wir ja nicht auf synthetische Produkte zurückgreifen.  

Was macht ihr, jetzt wo ihr keine Milchkühe mehr habt?

Seitdem wir ein Biobetrieb sind, halten wir keine Milchkühe mehr, sondern nur noch Mutterkühe. Ein Umbau zu einem modernen Milchviehstall hätte mehrere Hunderttausend Euro gekostet. Unsere Mutterkühe stehen nun von Frühjahr bis Sommer auf der Weide und nur im Winter im Stall. Sie dürfen ihre eigenen Kälber großziehen und diese werden dann nach ca. 2 Jahren geschlachtet. Ich selbst bin gegen einen massiven Fleischkonsum, jedoch nicht zum Preis, gar keine Tiere mehr halten zu können – aus den angesprochenen Punkten wie dem Erhalt des Dauergrünlandes. Wenn wir alle darauf achten, dass unser Fleisch regional bezogen ist und am besten aus zertifizierten Biobetrieben stammt, dann ist Tier und Natur bereits ein wenig geholfen. Natürlich ist regionales Biofleisch teurer als viele Produkte im Supermarkt, aber ich plädiere dafür, lieber wenig Gutes zu kaufen und vielleicht statt mehrere Tage pro Woche nur noch ein- oder zweimal pro Woche Fleisch zu essen.

Ernte Feld

Wie ist es mit Urlaub machen? Vor allem, wenn der Papa nicht da ist?

Mit der Milchviehhaltung war Urlaub schwer zu realisieren, da die Kühe natürlich jeden Tag morgens und abends gemolken werden müssen, damit sie keine Euterentzündung bekommen. Mein Vater hat schon seit sehr vielen Jahren keinen Urlaub mehr gemacht. Dies ist aber auch teilweise der altbäuerlichen Mentalität geschuldet. Landwirt*innen können Ihren Hof oft nur schwer „im Stich lassen“ und faulenzend am Strand liegen, auch wenn es nur für ein paar Tage ist 😀 Viele der modern geführten Betriebe haben mittlerweile so ein gutes Management, dass auch mal ein Urlaub drin ist, wenn man es nur will. Mittlerweile ist mit unseren Mutterkühen Urlaub (ausgenommen von der Ernte- oder Abkalbsaison) sehr gut einzurichten. Natürlich könnten mein Vater und ich nicht zusammen in den Urlaub fahren, aber ich hoffe, dass, wenn es die Corona-Lage wieder besser zulässt, meine Eltern endlich auch mal Ihren lang verdienten Urlaub antreten können.

Ihr findet Lydia auf Instagram unter dem Namen schwanenhof_koerber und könnt auch in meinem Highlight „Berufe“ vorbeischauen.

Love,

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